Bei der Veranstaltung mit dem Titel „Die neue Welle im Vergaberecht“ waren wir alle mit gespitzten Ohren dabei, als am 30. Juni 2022 im Le Méridien in Wien der 13. imh-Vergaberechtstag stattfand. Im Pre-Workshop am 29. Juni selben Orts zur Einstimmung durfte auch ANKÖ einen Input an interessierte Gäste weitergeben und fachsimpelte mit dem Publikum auf hohem Niveau über die Praxis und deren Herausforderungen.
Der richtige Umgang mit Bekanntmachungen und Bekanntgaben in der Ausschreibungsplattform „eVergabe+“
Am 29. Juni 2022 hatten wir die Gelegenheit, beim Pre-Workshop des 13. Vergaberechtstages darüber aufzuklären, wie ausschlaggebend die verschiedenen Formulare für Bekanntmachungen bzw. Bekanntgaben sein können.
Jüngste Judikatur-Beispiele, welche von unserer ANKÖ-Juristin Frau Mag. Jennifer Gutsche näher erläutert wurden, haben gezeigt, dass Fehler bei Bekanntmachungen wie etwa die Wahl des falschen CPV-Codes, unklare Verweise oder gar das Wort „beziehungsweise“ in den Ausschreibungsunterlagen darüber entscheiden, wie einfach und schnell ein Vergabeverfahren durchgeführt werden kann – oder eben nicht.
Anschließend erläuterte unser Geschäftsführer Herr Emir Prcić, MBA, das Thema von Veröffentlichungsvorgaben der EU sowie eine verpflichtende Transparenz auf nationaler Ebene. Unterschiedliche Quellen für Veröffentlichungsvorgaben können hier eine Herausforderung darstellen, insbesondere dann, wenn die technischen Umsetzungen nicht interoperabel sind oder die sprachliche Übersetzung nicht ausreichend gut erfolgt ist.
Ein gutes Beispiel hierfür sei die freiwillige Bekanntmachung eines Vergabeverfahrens auf Unionsebene oder Ex-ante-Transparenzbekanntmachung, kurz Ex-Ante, welche den Sinn hat, bei bestimmten Verfahrensarten für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Herr Prcić wies auf den absurden Fehler hin, dass man im Formular bei der Datumsauswahl nur Tage aus der Vergangenheit bzw. den aktuellen Tag auswählen kann. Das macht rein rechtlich keinen Sinn, da ein Ex-Ante-Formular die Entscheidung bekanntgibt, dass man einen Auftrag vergeben möchte und es daher noch keinen Auftrag gibt, den man bekanntgeben kann.
Hier liegt es an der etwas ungünstigen Darstellung der deutschen Übersetzung im Formular, denn tatsächlich soll man hier nicht die Auftragsvergabe bekanntgeben, sondern die Entscheidung, den Auftrag vergeben zu wollen – ein kleiner, aber feiner Unterschied, denn dieser Umstand macht das Formular wieder verständlich.
Da wir im Laufe der Zeit als Marktführer mit vielen Herausforderungen in der Praxis konfrontiert waren, haben wir für diverse Probleme Lösungen umgesetzt, von denen unsere Anwender:innen jetzt profitieren. Beispielsweise ist eine automatische Validierung für Kund:innen enorm wichtig. Schulungen sind aus unserer Sicht aber erfahrungsgemäß das beste Mittel, um Probleme hintan zu halten.
Die Entwicklung der Vergabekultur
Am 30. Juni 2022 ging es dann mit spannenden Themen weiter, wobei der Fokus auf die (Weiter)Entwicklung der Vergabekultur gelegt war – also wie man Vergaberecht neu denken kann – oder vielleicht sogar muss.
Gesprochen wurde über die neuersten Meldungen der EU-Kommission. Es war höchst interessant, die europäischen Sanktionen gegen Russland und die damit verbundenen Implikationen auf das Vergaberecht präsentiert zu bekommen.
Zudem spielt auch die ökologische Beschaffung nach wie vor eine äußerst wichtige Rolle, über welche man sprechen sollte. Etwa hat die europäische Kommission hierfür eine eigene Homepage für das Green Public Procurement, kurz GPP, sowie einen GPP Helpdesk eingerichtet. Dies soll es vereinfachen, diverse Kriterien, welche eine ökologische Beschaffung ermöglichen, ins Vergabeverfahren einfließen zu lassen. Hier kann auch der österreichische naBe-Aktionsplan helfen.
Die Diskussion über die Verwendung von Änderungsklauseln und deren Einsatz als Instrument für Transparenz war ebenso einer von vielen Beiträgen, der den Besucher:innen einen praktischen Mehrwert mit auf den Weg zur ihrer nächsten Ausschreibung gab.
Anhand des Beispiels zur Neuausschreibungspflicht bei Leistungsreduktion wurde erläutert, dass bei Ausschreibungen mit Änderungsklauseln auf allerhand geachtet werden muss, unter anderem auf
- die Art der Änderung, also die Menge der Leistungspositionen, welche veränderbar sein sollen,
- den Umfang der Änderung im Verhältnis zum Gesamtauftragswert,
- die Bedingungen, welche an die Änderung geknüpft sind und
- die Zuverlässigkeit späterer Vertragsänderungen.
Die Herausforderung hierbei ist es, die entsprechenden Parameter einer Änderungsklausel vertraglich verständlich und bestimmbar im Vorhinein zu definieren.
Abschließend durften wir Herr Mag. Hubert Reisner ein offenes Ohr schenken, welcher als Richter am Bundesverwaltungsgericht die aktuellsten Judikatur-Schmankerln präsentierte, unter anderem den möglichen Austausch eines notwendigen Subunternehmens anhand der Entscheidung des EuGHs vom 06.10.2021, C-316/21, Monument Vandekerckhove. Prinzipiell ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, den Bieter aufzufordern, ein in Frage stehendes Subunternehmen zu ersetzen, wenn dessen Eignung nicht nachgewiesen werden kann. Dabei darf es natürlich nicht zu einer Angebotsberichtigung oder -veränderung des Bieters kommen, sondern stellt dies vielmehr eine Art Selbstreinigung des Bieters dar, bevor es zum (verpflichtenden) Ausschluss des Bieters kommt, sollte er der Aufforderung nicht nachkommen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass in diesen zwei Tagen ein Programm dargeboten wurde, welches mit Wissen, Innovation und Spaß gefüllt war. Die hochkarätigen Sprecher haben zu angeregten Unterhaltungen aufgefordert und so wurde verdeutlicht, mit welcher Raffinesse und auch Geschwindigkeit sich die Vergabekultur weiterentwickelt. Bleiben wir gemeinsam am Ball!
Links: Fotos und Video vom 13. Österreichischen Vergaberechtstag