Vergaberechtliche Judikatur und Praxistipps

bearbeitet von Schramm Öhler Rechtsanwälte (Dezember 2014) 

In Ausschreibungsunterlagen können zusätzliche Bedingungen hinsichtlich sozialer Aspekte (wie zB die Zahlung eines bestimmten Mindestlohnes) aufgenommen werden. Zu beachten ist aber, dass diese nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verstoßen dürfen.

 

Die Stadt Dortmund hat einen Dienstleistungsauftrag zur Aktendigitalisierung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Die Ausschreibungsunterlagen enthielten eine Mustererklärung, mit deren Unterzeichnung sich der Bieter verpflichtete, seinen Beschäftigten einen nach dem Tariftreue- und Vergabegesetz von Nordrhein-Westfahlen (TVgG-NRW) bestimmten Mindestlohn zu zahlen. Gleichzeitig verpflichtete sich der Bieter damit, dass er auch von seinen Subunternehmern die Einhaltung dieser Mindestlohnvorschriften verlangen wird.

Diese Ausschreibungsbestimmung wurde von einem Bieter bekämpft, der die auftragsgegenständlichen Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat (Polen) durch den dort ansässigen Subunternehmer ausführen lassen wollte. Der Bieter hielt diese Regelung für rechtswidrig, da er seinen in Polen ansässigen Subunternehmer nicht zur Einhaltung des in Nordrhein-Westfahlen geltenden Mindestlohns verpflichten könne. Im Verfahren brachte er vor, dass ein solcher Mindestlohn nach den Gesetzen des anderen Mitgliedstaates nicht vorgesehen ist und auch nach den dortigen Lebensverhältnissen nicht üblich ist.

Der EuGH sprach aus, dass die in den Ausschreibungsunterlagen bekämpfte Regelung die Dienstleistungsfreiheit von Bietern beschränkt. Der Gerichtshof führte aus, dass eine nationale Maßnahme unter der Prämisse des Arbeitnehmerschutzes zur Verhinderung von Sozialdumping zwar gerechtfertigt sein kann. Dieses Ziel werde aber durch die gegenständliche Bestimmung nicht erreicht:

Einerseits ist die Bestimmung nicht geeignet, das Ziel des Arbeitnehmerschutzes zu garantieren, da die Regelung lediglich den öffentlichen Sektor betrifft und bindet. Anderseits geht die Regelung über den Mindestlohn über das hinaus, was erforderlich ist, um die Erreichung des Ziels des Arbeitnehmerschutzes zu gewährleisten: Sie nimmt nämlich „keinen Bezug zu den in dem Mitgliedstaat bestehenden Lebenserhaltungskosten, in dem die [auftragsgegenständlichen] Leistungen […] ausgeführt werden“ und würde damit den dort ansässigen Subunternehmern die Möglichkeit vorenthalten „aus den zwischen den jeweiligen Lohnniveaus bestehenden Unterschieden einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen.“ Weiters könne die angefochtene Regelung auch nicht aus Gründen der sozialen Sicherheit gerechtfertigt werden, da durch die Nichtbezahlung der Mindestlöhne auch nicht das Sozialversicherungssystem des Auftraggeberstaates belastet wird.

 EuGH vom 18.09.2014, EuGH C-549/13

  

Praxistipp: Öffentliche Auftraggeber können in ihren Ausschreibungsunterlagen zusätzliche Bedingungen hinsichtlich sozialer Aspekte (wie zB die Zahlung eines bestimmten Mindestlohnes) aufnehmen, wenn sie dabei die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beachten und nicht verletzen. Beispielsweise dürfen ausländische Bieter durch diese Regelungen nicht von der Teilnahme am Vergabeverfahren abgehalten werden (Verbot der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit). Darüber hinaus sind die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze wie das Gleichbehandlungsgebot und Nichtdiskriminierungsverbot zu beachten.

 

 Autorin: Martina Windbichler
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